von unserer Obfrau Andrea Sommerauer.

Das Schweigen brechen. Vier Jahrzehnte Einsatz von Frauen gegen Vergewaltigung

Mit Bettina Hofer und Tina Bader bilde ich einen kleinen Vorstand, dessen Zweck es ist, für die Mitarbeiterinnen der Stelle eine ehrenamtliche Basis zu bilden, damit sie so gut wie möglich arbeiten können. Und so treten wir selten in Erscheinung. Heute ist eine Ausnahme, denn wir feiern das 40-jährige plus 1 Bestehen des Vereins Frauen* gegen Vergewaltigung.

Es ist so eine Sache mit den Jubiläen. Die Frage ist, wann soll der Beginn angesetzt werden:

  • mit einem ersten Treffen? – Das wäre dann vielleicht im Frühsommer des Jahres 1982;
  • mit der Vereinsgründung? – Das wäre im November desselben Jahres;
  • mit der Aufnahme eines Betriebs? – Das wäre dann Ende 1982/Anfang 1983;
  • mit dem Fließen von Geldern, die einen ersten Betrieb der Stelle absicherten? – Dann müssen wir den Beginn später ansetzen, denn die Gelder flossen erst im Laufe der Zeit.

Jubiläen eignen sich zum Feiern – das tun wir selbstverständlich heute noch ausgiebig.
Aber Jubiläen eignen sich unter anderem auch dazu, eine Entwicklung Revue passieren zu lassen, sich den Beginn zu vergegenwärtigen, um davon ausgehend zu sehen, was aus einer Idee, einer Initiative und viel ehrenamtlichem Engagement / unbezahlter und bezahlter Arbeit geworden ist, was aus dem geworden ist, was wir heute für selbstverständlich halten, es aber zu anderen Zeiten nicht war.

Verändert hat sich nicht nur der Name des Vereins,
sondern auch seine Mitarbeiterinnen,
die Zusammensetzung der Beschäftigten,
die Vereinsstruktur,
die Vereinsmitglieder bzw. -funktionärinnen
und die Angebote der Einrichtung mit ihren Aufgabenbereichen Beratung, juristische und psychosoziale Begleitung, Öffentlichkeits-, Präventions- und Sensibilisierungsarbeit, die bis heute bestehen, aber mit veränderten Schwerpunktsetzungen aufgrund der Voraussetzungen und einer Ausdifferenzierung bzw. Erweiterung der Angebote.

Verändert haben sich selbstverständlich auch die gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen.

Nicht denkbar wäre der Verein Frauen* gegen Vergewaltigung ohne die Unterstützung von vielen Einzelpersonen und Fraueneinrichtungen sowie anderen sozialen Einrichtungen bzw. -initiativen, Dachverbänden und Arbeitskreisen.

Der Beginn

Zu Beginn möchte ich Sie einladen, sich an die 1980er Jahre erinnern. Wenn Sie alt genug sind, erinnern Sie sich an die Mitte der 1980er Jahre, an das stark verankerte katholisch-konservative Milieu, die erst langsam aufbrechende katholisch-konservative Kruste in Tirol. An die überholten Vorstellungen von Moral, von einer Familie und dem Rollenbild von Frau – Vorstellungen, die sich in Tirol verglichen mit anderen Bundesländern besonders hartnäckig hielten.

Erinnern Sie sich daran, dass erst 1989 Vergewaltigung in der Ehe strafbar war und das Verhalten des Opfers ab dann rechtlich keine Rolle mehr hätte spielen dürfen.

In diesem Klima gründete sich der Verein Frauen* gegen Vergewaltigung.
Die Initiative entstand als „Tiroler Notruf für vergewaltigte Frauen“ in der Tradition von Notrufen, die sich ab 1978 in der BRD, dann auch in Österreich als Teil der Autonomen Frauenbewegung gegründet hatten. Die Autonome Frauenbewegung markierte in ihrer gesellschaftspolitischen Analyse Gewalt an Frauen und Mädchen, den Zugriff auf ihre Körper, als einen wesentlichen Faktor des patriarchalen Herrschaftssystems. In der Folge entstanden diverse Fraueneinrichtungen, wie der Arbeitskreis Emanzipation und Partnerschaft (AEP) in Innsbruck in der ersten Hälfte der 1970er Jahre, der seinen Ausgang im Kampf für den straffreien Schwangerschaftsabbruch nahm. Autonome Frauenhäuser nahmen ihren Betrieb auf: das erste in Wien 1978, und im Autonomen Frauenhaus Tirol konnten von Gewalt betroffene Frauen 1981 ihre ersten Zimmer im beziehen.
Die Gründung dieser Einrichtungen – wie der überwiegende Teil der sozialen Angebote, die sich ab den 1970er Jahren herausbildeten – gingen auf persönlicher wie politischer Analyse fußende, bedarfsorientierte Initiativen von vor allem jüngeren Menschen, in diesem Fall Frauen zurück.

Das gilt auch für die Notrufe. Sie boten (und bieten) konkrete Hilfe und Beratung für Frauen und Mädchen nach Vergewaltigungen bzw. sexualisierter Gewalt an und verstanden (und verstehen) ihre Arbeit als gesellschaftspolitische Tätigkeit.

Innsbruck, im Juni 1982: Einige Frauen, die entweder beruflich mit sexualisierter Gewalt zu tun hatten oder selbst davon betroffen waren, riefen via Medien dazu auf, einen Verein zu gründen, der sich der sexualisierten Gewalt an Frauen widmet. Das Grundkonzept des im November 1982 nichtuntersagten Vereins beinhaltete psychologische, medizinische und rechtliche Beratung – inklusive Begleitung zu Ärzt:innen, der Polizei und dem Gericht. Außerdem war Öffentlichkeitsarbeit von Anfang an beinhaltet.

Zwei Facetten des Vereins Frauen* gegen Vergewaltigung möchte ich in der Folge gerne kurz herausgreifen, weil sie meiner Meinung nach neben den unverzichtbaren Beratungen, den Prozessbegleitungen, die seit 2005/06 als Rechtsanspruch für von sexualisierter Gewalt betroffene Frauen vom Justizministerium fix bezahlt werden, und den zunehmend ausgebauten Präventionsangeboten wesentlich waren:

Diese zwei Facetten sind: Vernetzung mit anderen Einrichtungen und Öffentlichkeitsarbeit

Vernetzung: Ein Beispiel aus dem Bereich der Finanzierung

Da keine bzw. kaum Subventionen lukriert werden konnten, gingen die Mitarbeiterinnen des Vereins Frauen* gegen Vergewaltigung zunächst Kooperationen ein. Zuerst mit dem Tiroler Frauenhaus, auf dessen Nummer die Anrufe eingingen. Ab 1983 konnten die Notruf-Frauen einen Nebenraum im AEP mitnutzen. Deshalb mussten nun auch Kosten beglichen werden, nicht für den Raum, aber für Telefonkosten und Informationsmaterial.

Die Steuerung sozialer Angebote über öffentliche soziale Mittel ist ein Faktum. Gerade Fraueneinrichtungen wurden zumindest in Innsbruck – das habe ich mir aus historischer Sicht im Zusammenhang mit einer Publikation über die sozialen Angebote in Innsbruck angesehen1 – finanziell kurz gehalten und ihr Bedarf angezweifelt. Unterstellt wurde etwa auch, die Mitarbeiterinnen würden ausschließlich für die Erlangung und Erhaltung ihres Arbeitsplatzes sorgen. (So geschehen beim DOWAS für Frauen, als sie für 1987 bei der Stadt Innsbruck Subventionen beantragt hatten.)

Im Fall des Vereins Frauen* gegen Vergewaltigung hatte diese abwertende Haltung vor allen anderen einen Namen: Fritz Greiderer, Soziallandesrat (SPÖ) und Polizist.

Eine der ersten Notruf-Frauen, Apollonia Ritzer, erzählte, wie es war, als sie 1983 das erste Subventionsansuchen beim Land Tirol eingereicht hatte:

„Ich habe dann ein Subventionsansuchen gestellt über 10.000,– Schilling. Und es hat nicht lange gedauert, habe ich von [Greiderers] Sekretärin einen Anruf gekriegt, ich müsste einmal hinaufkommen wegen des Subventionssuchens ins Landhaus. […], das faszinierte mich, weil 10.000,– Schilling waren damals ein bisschen mehr Geld wie heute [in Euro], aber trotzdem nicht so viel. Und dann hat er mich gefragt, was wir mit dem Geld tun. […]. […] der Anrufbeantworter [allein hat] schon über 4.000,– Schilling gekostet. Das Geld hat uns die Maria Berger vorgeschossen.“2

Die spätere Justizministerin Maria Berger, Mitgründerin des Vereins Frauen* gegen Vergewaltigung, war damals Juristin an der UNI Innsbruck und immerhin Bundesvorsitzende der Jungen Generation der SPÖ. Also eine Parteikollegin von Greiderer.
Das Geld wurde schließlich für 1983 auch bewilligt.
Und was haben die Frauen abgesehen vom Anrufbeantworter noch mit den 10.000 Schilling bezahlt? Die Telefonrechnung, Aufkleber und ein paar Flyer.

Die Arbeit wurde unbezahlt geleistet. Und das blieb auch für längere Zeit so, denn genannter Soziallandesrat Fritz Greiderer weigerte sich, den Bedarf der Einrichtung anzuerkennen. 1988 ließ er in seinem Antwortschreiben auf das Subventionsansuchen wissen, dass er davon ausgehe,


„daß es in Tirol bereits eine Reihe von Beratungsstellen gibt, die sich mit diesem oder zumindest ähnlichen spezifischen Frauenproblemen befassen und die bei derartigen Anliegen auch eine Anlaufstelle darstellen“.3

Dazu nannte er namentlich:

  • die Telefonseelsorge,
  • das damals noch existierende, ab 1979 eingerichtete Jugendtelefon des Landesjugendreferates,
  • das Autonome Frauenhaus,
  • das heutige Autonome FrauenLesben Zentrum,
  • das DOWAS für Frauen und
  • diverse Familienberatungsstellen.

Die Reduktion eines Problemkomplexes mit gesellschaftspolitischer Dimension auf ein „Frauenproblem“, war selbstverständlich nicht zufällig. Sicherlich wollte man sich die Finanzierung einer weiteren Stelle sparen, aber es ging wohl auch um diese gesellschaftspolitische Dimension. Um das Aufzeigen von Herrschaftsstrukturen, die in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik tief verankert waren bzw. sind und von ihnen gestützt werden. Um das Aufzeigen des weit verbreiteten „Problems“ der (sexualisierten) Gewalt an Frauen und Mädchen, das diesem Herrschaftssystem innewohnt und es absichert. Nicht zuletzt ging und geht es um einen Angriff auf die körperliche Integrität, der Frauen und Mädchen aller Gesellschaftsschichten ausgesetzt sind.

Eine Bundessubvention ermöglichte dem Verein Frauen* gegen Vergewaltigung schließlich 1989 erstmals die Anmietung eines Büroraums. 1991 konnte das erste Mal eine Frau in geringem Umfang für die Tätigkeit angestellt werden. Aber der Spielraum blieb eng und der Kampf um Finanzierung band viele Ressourcen. Die Mitarbeiterinnen des Vereins Frauen* gegen Vergewaltigung schalteten auch Staatssekretärin Dohnal ein. Diese hatte sich 1990 über die Finanzierungslage von Notrufen in ganz Österreich informiert und konstatierte:

„Die mittlerweile eingetroffenen Antworten sind, wie auch die darin angeführten Subventionssummen, sehr unterschiedlich ausgefallen. Ziemlich deutlich wurde aber, daß es faktisch kaum eine autonome Notruf-Einrichtung gibt, die mit den angeführten Subventionen das Auslangen finden kann.“4

Letztlich gelang es ihr aber, eine Finanzierung auf Landesebene zu erwirken. Allerdings zunächst nicht über das Ressort Greiderers, sondern über das ÖVP-regierte Landesjugendreferat (auch hier wieder 10.000,– Schilling).

Die zunächst noch sehr rudimentäre Finanzierung der Einrichtung gelang auch deshalb, weil die Mitarbeiterinnen des Vereins Frauen* gegen Vergewaltigung ein großes Netzwerk an Unterstützerinnen hatten. Diese Unterstützung kam aus dem Umfeld von Frauenorganisationen aus ganz Österreich, auch andere Sozialeinrichtungen und sogar das Jugendamt beteiligten sich daran. Dabei wurde von allen Seiten das Alleinstellungsmerkmal des Vereins im Westen betont.

Nicht unrelevant dürfte gewesen sein, dass die Sozialagenden 1991 im Land Tirol von Greiderer zu Walter Hengl (ebenfalls SPÖ) wechselten, wenngleich auch mit jenem harte Verhandlungen geführt werden mussten. Die damaligen Mitarbeiterinnen des Vereins Frauen* gegen Vergewaltigung dokumentierten einen bis heute existierenden Missstand in der Subventionsvergabe:

„Es ist bereits Ende Jänner, die Subventionierung der Stelle immer noch nicht sicher.“5
(Alle, die in Einrichtungen gearbeitet haben oder noch arbeiten, kennen diese unsichere Situation, die auf Kosten von Beschäftigten und den Vorständen ausgetragen wird.)

Auch in der Stadt Innsbruck wechselte die Generation: Sozialstadtrat wurde 1889 Eugen Sprenger, ÖVP, der wesentlich mehr Verständnis für soziale Vereine aufbrachte als sein Vorgänger und Parteikollege Paul Kummer. Bis dahin hatte die Stadt lediglich 5.000,– Schilling zugeschossen, dann verdoppelte sich der Beitrag wenigstens.

Trotz dieser schlechten Rahmenbedingungen hielten die Mitarbeiterinnen des Vereins Frauen* gegen Vergewaltigung den Betrieb aufrecht. Sie

  • berieten Frauen,
  • erteilten Auskünfte,
  • erledigten Büroarbeiten,
  • setzten sich praktisch und theoretisch mit der Materie auseinander und reflektierten,
  • tauschten sich mit anderen aus und vernetzten sich,
  • qualifizierten sich und bildeten sich fort,
  • verschwiegen die finanzielle Situation und die Subventionslage nicht, sondern dokumentierten,
  • wandten sich an andere Vernetzungspartner:innen, Politiker:innen und die Öffentlichkeit,
  • darüber hinaus erledigten sie Öffentlichkeitsarbeit auf mehreren Ebenen – wie etwa Anfang der 1990er Jahre in Form einer 84-Seiten starken Broschüre zu „10 Jahre: Verein Frauen gegen VerGEWALTigung“, in der sie über Geschichte und Gegenwart des Problemkomplexes Gewalt gegen Frauen und die Stelle berichteten.

Aber dieser hohe Einsatz der Frauen hatte auch eine Schattenseite: es beförderte zum Beispiel

  • Überforderung,
  • Ausbrennen und
  • berufliche Umorientierung, weil es keine Perspektiven innerhalb der Stelle gab.

Der zweite Aufgabenbereich, den ich herausgreifen möchte, ist

Öffentlichkeitsarbeit.

„Wir Frauen informieren über Vergewaltigung, Gewalt gegen Frauen, Vorurteile, … und kämpfen damit gegen das Ver-Schweigen und die Ohn-Macht, die Gewalt gegen Frauen mitermöglichen,“6
hieß es 1989 in einem Flyer.

1986 war der Verein in „Frauen gegen Vergewaltigung“ umbenannt worden. Weiterhin galt:
Das Faktum – sexualisierte Gewalt an Frauen – sowie das Angebot des Vereines mussten öffentlich werden.
Die Einrichtung musste sich etablieren – bei Betroffenen wie bei zuweisenden Stellen. Dabei stießen die Frauen hart gegen ein Tabu. 1991 hieß es in einer Broschüre:

„Allein das Wort ‚Vergewaltigung‘ in öffentlichen Räumen sichtbar zu machen, stößt offenbar bei einigen/vielen? an deren Schmerzgrenze.“7

Es ist ein Statement, den Namen „Verein Frauen gegen Vergewaltigung“ bis heute beizubehalten.

Wenn ich in den vergangenen mehr als zehn Jahren als Obfrau in privaten oder beruflichen Zusammenhängen diesen Namen ausgesprochen habe, habe ich immer wieder auch Irritation ausgelöst. Dann konnte es sehr still werden, das Schlucken von Speichel war zu hören. Vielleicht wurde nach einiger Zeit ein blöder Witz gemacht, um die Situation zu entschärfen.
Aber damals waren die Mitarbeiterinnen des Vereins z.T. mit massiven Aggressionen konfrontiert: verhöhnende Anrufe, Beschimpfungen, verbale Attacken.

Öffentlichkeitsarbeit beinhaltete im Fall des Vereins Frauen* gegen Vergewaltigung auch Forderungen auf Gesetzesebene wie die Vereinheitlichung des Tatbestandes Vergewaltigung im Strafrecht, auf der Gerichtsebene in Bezug auf den Schutz von Gewaltopfern oder im Bereich der Polizei nach mehr Polizeibeamtinnen zu erheben.
Es bedeutete Informationseinheiten in Schulen und Veranstaltungen durchzuführen, eine Bibliothek aufzubauen sowie Informationsmaterial und Plakate zu erstellen und zu verteilen.

Einen bleibenden Eindruck hinterließen bei mir ein Plakat, das in der oben zitierten, dicken Broschüre 1991 abgedruckt war:

„Gehen Sie nicht unbekleidet aus – das regt Männer an.
Gehen Sie nicht bekleidet aus – irgendwelche Kleidungsstücke regen immer Männer an.
Gehen Sie niemals alleine aus – irgendwelche Situationen regen immer Männer an.
Gehen Sie nicht mit einer Freundin aus – einige Männer werden durch die Mehrzahl angeregt.
Gehen Sie nicht mit einem Freund aus – einige Freunde können auch vergewaltigen, oder Sie treffen einen Vergewaltiger, der zuerst Ihren Freund angreift und dann Sie.
Bleiben Sie nicht zuhause – Eindringlinge und Verwandte sind potentielle Täter.
Seien Sie niemals Kind – einige Täter werden durch die ganz Kleinen angeregt.
Seien Sie nie alt – einige Vergewaltiger stürzen sich auf alte Frauen.
Verzichten Sie auf Nachbarn – die vergewaltigen häufig Frauen.
Verzichten Sie auf Vater, Großvater, Onkel oder Bruder – das sind die Verwandten, die junge Frauen am häufigsten vergewaltigen.
Heiraten Sie nicht – Vergewaltigung in der Ehe ist normal.
UM SICHER ZU GEHEN – VERZICHTEN SIE AUF IHRE EXISTENZ!“8

Kaum etwas hat meinen Nerv in dieser Zeit so getroffen, wie dieses Plakat. Es hat so viele Facetten der Problematik in einen wunderbaren, leicht erfassbaren, provokanten Text gegossen, hat die wichtigsten Informationen ironisch, aber deutlich auf den Punkt gebracht.

Die kreative Herangehensweise haben sich die folgenden Generationen von Mitarbeiterinnen des Vereins Frauen* gegen Vergewaltigung erhalten, wie sie auf so vieles aufbauen können, dass in den 1980er und 1990er Jahren grundgelegt wurde.
1989 riefen die Mitarbeiterinnen des Vereins Frauen gegen Vergewaltigung auf, das
„SCHWEIGEN BRECHEN … ISOLATION AUFHEBEN … TRAUER ZULASSEN … WUT AUSLEBEN … SICH GEMEINSAM WEHREN“9

Das gilt, meine ich, bis heute.

Denn wenn sich auch finanzielle, räumliche, politische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen verändert haben, bleibt Gewalt an Frauen ein massives Problem. Allein die hohe Zahl an Femiziden lässt erschaudern.

Aber ich denke, wir dürfen uns freuen über die Entwicklungsschritte, die Verbesserungen auf verschiedenen Ebenen, und feiern, dass aus einer Initiative von Frauen eine Einrichtung entstand ist, die sich in ihrem Angebot ausdifferenziert und erweitert hat, deren Mitarbeiterinnen Standards mitentwickelt haben und danach strebten und streben, den gesellschaftlichen Entwicklungen und veränderten Bedingungen Rechnung zu tragen.

In diesem Sinne ist allen Frauen zu danken, die den Verein Frauen* gegen Vergewaltigung zu dem gemacht haben, was er war und ist: Eine etablierte und geschätzte Einrichtung gegen sexualisierte Gewalt an Frauen und Mädchen.


1 Andrea Sommerauer/Hannes Schlosser, Gründerzeiten. Soziale Angebote für Jugendliche in Innsbruck 1970–1990, Universitätsverlag Wagner, Innsbruck 2019.

2 Andrea Sommerauer: Interview mit Apollonia Ritzer und Melanie Madlung am 28.10.2015.

3 Landesrat Fritz Greiderer an Verein Frauen gegen Vergewaltigung, 13.9.1988, Archiv Verein Frauen gegen Vergewaltigung (VFgV). Siehe auch: Sommerauer/Schlosser, Gründerzeiten, S. 414.

4 Ebd., Schreiben Republik Österreich, Bundeskanzleramt, Staatssekretärin Johanna Dohnal an den Verein Frauen gegen Vergewaltigung, o.D. (1990).

5 Ebd., Verhandlungschronologie. Land Tirol – Verein Frauen gegen Vergewaltigung.

6 Ebd., Flyer des Vereins Frauen gegen Vergewaltigung.

7 Verein „Frauen gegen Vergewaltigung“ (Hg.), 10 Jahre: Frauen gegen VerGEWALTigung. Notruf. Beratung, Innsbruck 1991, S. 25. Siehe auch Sommerauer/Schlosser, Gründerzeiten, S. 413.

8 Ebd., S. 4.

9 Ebd., Unterlage für einen Workshop an der Innsbrucker Sozialakademie, Mai 1989.

Skip to content